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Einweihung Gedenk- und Erinnerungsort Verdener Waggon



Am vergangenen Freitag war es endlich soweit: Der Lern-, Gedenk- und Erinnerungsort „Verdener Waggon“ wurde feierlich eingeweiht, nachdem die Veranstaltung Pandemie-bedingt zuvor verschoben werden musste. Bei sommerlichem Wetter wurde der sanierte Reichsbahnwaggon der Öffentlichkeit auf dem Gelände der Berufsbildenden Schulen Verden vorgestellt. In mehreren Redebeiträgen wurde die denkwürdige Geschichte des Verdener Waggons, der kurz vor der Jahrtausendwende durch den Historiker Dr. Joachim Woock im sächsischen Wurzen entdeckt wurde, beleuchtet und das Engagement des Trägervereins „Verdener Waggon im Netzwerk Erinnerungskultur“, vertreten durch Landwirt Ehler Lohmann, Pfarrer Wilhelm Timme und die ehemalige Konfirmandin Judith Wieters, gewürdigt.

Der 1910 erbaute Reichsbahnwaggon wurde von den Nationalsozialisten zur Verschleppung Hunderttausender Zwangsarbeiter*innen und Häftlinge quer durch „das Reich“ eingesetzt. Er ist damit ein bleibendes Symbol für unzählige Schicksale der Opfer des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte. Mutmaßlich aus diesem Grund fiel der Verdener Waggon 2007 nach seiner ersten Sanierung ausgerechnet am Vorabend des Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus einem bis heute unaufgeklärten Brandanschlag zum Opfer.

Nach jahrelangen Diskussionen beschloss der Verdener Kreistag 2014 den Reichsbahnwaggon erneut zu sanieren und der Öffentlichkeit als Lern- und Gedenkort zugänglich zu machen. Im Jahr 2018 gründete sich ein Verein, der mit Unterstützung des Landkreises und weiterer Sponsoren eine Finanzierung auf die Beine stellte und ein pädagogisches Konzept für die Erinnerungsarbeit entwickelte. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, „durch eine lebendige Arbeit des Erinnerns am Beispiel dieses konkreten Waggons der Reichsbahn die Notwendigkeit des Einsatzes für Demokratie und Menschenrechte im 21. Jahrhundert herauszuarbeiten.“ Das sozialraumoffene Projekt, an dem sich auch Schülerinnen und Schüler der BBS sowie Teilnehmende des Jobcenter-Projekts LOGIN beteiligten, wurde neben den Mitarbeiter*innen der Kreisverwaltung von zahlreichen lokalen Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben sowie engagierten Einzelpersonen unterstützt. Für den Gedenkort wurde eigens ein Zugang zum Gelände der BBS über die Bertha-Benz-Straße geschaffen. Eingehegt in eine blühende Vegetation, führt ein Weg, der von Informationstafeln gesäumt wird, den Besucher zum Reichsbahnwaggon. Eine Kameraanlage soll verhindern, dass dieser erneut Ziel von Sachbeschädigungen wird.

Bürgermeister Brockmann unterstrich in seinem Grußwort, dass die Demokratie nicht an Prozenten scheitern werde, sondern dann, wenn die Mitte der Gesellschaft nicht wachsam ist. Auch Landrat Bohlmann erinnerte an die Worte Fritz Bauers, dass die Verbrechen von Auschwitz nicht erst vor den Toren begannen. Zu den Täter*innen zählten „normale Menschen“: Ärzte, Ingenieure, Buchhalter und auch der Lokführer eines eben solchen Waggons. Mit Blick auf die weiterhin hohe Zahl rechtsextremer Straftaten, den immer weiter um sich greifenden Hass im Netz und durch Studien belegte diskriminierende Einstellungsmuster in der Mitte der Gesellschaft müsse, so Brockmann „jede Generation neu überzeugt werden, dass Menschenrechte nicht in Frage gestellt werden dürfen.“

Höhepunkt der Einweihung des Verdener Waggons, wenige Tage vor dem 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, war der Auftritt der Band Microphone Mafia mit Tonbandeinspielungen der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano, die aus gesundheitlichen Gründen leider nicht persönlich teilnehmen konnte. Ihr Sohn Joram Bejarano an der Bassgitarre, der aus Bejaranos Buch „Erinnerungen“ vorlas, wurde vom Kölner Rapper Kutlu Yurtseven am Mikrofon unterstützt. Ihre Musik, deren deutsche, jiddische, italienische und türkische Texte auch Sozialkritik üben, verbindet Hip Hop mit der eindrucksvollen Stimme und den mahnenden Botschaften von Esther Bejarano. Zu einer Zusammenarbeit der Band Microphone Mafia mit Esther Bajarano kam es erstmalig 2007, als die NPD sogenannte Schulhof-CDs mit rechtsextremer Musik verteilte. Seither tritt die Kombo gemeinsam auf, um ein musikalisches Zeichen gegen das Vergessen und für die universelle Gültigkeit der Menschenrechte zu setzen.

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